Frauen des Exil
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, der Besetzung Belgiens, der Niederlande, Dänemarks und Frankreichs werden diese Länder für viele der dort seit 1933 lebenden deutschen Emigranten zu mörderischen Fallen. Verzweifelt versuchen sie, ein neues, sicheres Exil zu finden, viele wollen nach Amerika, und Tausenden gelingt tatsächlich die abenteuerliche, oft lebensgefährliche Flucht nach New York und dann weiter an die Westküste, nach Kalifornien. Nur wenige, wie Thomas Mann und Lion Feuchtwanger, die auch in den USA Berühmtheiten sind und von Buchverkäufen und Vorträgen exzellent leben können, schaffen es, sich unter Palmen eine neue Existenz aufzubauen; die meisten leben unter prekären Umständen, benötigen Unterstützung durch Hilfsfonds und private Gönner und müssen ohne jede berufliche Anerkennung auskommen. Ursel Braun nimmt in ihrem hervorragend recherchierten und farbig erzählten Buch »Exil im Paradies« die illustre Gemeinschaft der deutschen Exillanten in Pacific Palisades in den Blick und fokussiert dabei insbesondere auf einige der Frauen unter den Exilierten: die Schauspielerin Salka Viertel, die sich als Drehbuchautorin für Hollywood durchschlägt, Katia Mann, Marta Feuchtwanger, Alma Mahler-Werfel, Nelly Kröger-Mann (die Frau Heinrich Manns) sowie Helene Weigel. Alle haben sie neben Heimweh, Sorge um Angehörige und Freunde, Akkulturationsschwierigkeiten immer auch mit ihren sensiblen, schwierigen, verwöhnten Ehemännern zu kämpfen, kümmern sich nicht nur um Kinder und Haushalt, sondern häufig zusätzlich darum, Geld zu verdienen und ein geselliges Leben, wie sie es aus Europa kennen, fortzuführen. Insbesondere Salka Viertel sticht als unermüdliche Unterstützerin und Mutmacherin hervor; in ihrem sonntäglichen Salon treffen die Berühmtheiten aufeinander und genießen die von Salka Viertel servierte Wiener Küche, Sachertorte inklusive, ein Stück des so schmerzlich vermissten Europa, aus dem schreckliche Nachrichten zu ihnen dringen. Natürlich geht dieses Leben nicht ohne Bosheiten, Klatsch und Liebesaffären ab, echte Freundschaften sind auch, vielleicht gerade, unter den schwierigen Bedingungen des Exils rar. Allein Marta Feuchtwanger wird in Kalifornien heimisch werden, alle anderen kehren dem »Paradies« spätestens Anfang der 1950er Jahre den Rücken. Alle bis auf Heinrich Manns Frau Nelly – sie nahm sich bereits im Dezember 1944 aus Verzweiflung über Entwurzelung, Schulden und eine völlig zerrüttete Existenz das Leben.
Ursel Braun: »Exil im Paradies. Von Martha Feuchtwanger bis Helene Weigel«. Ebersbach & Simon, 141 Seiten, 20 Euro
FAS Nr. 40, 5. Oktober 2025, Feuilleton Seite 38
