Auf Wegen durch die Stadt genährte Tagträume
Die Neuentdeckung eines russischen Stars geht weiter: Wer die Erzählungen von Gaito Gasdanow liest, entstanden in dessen Pariser Exiljahren, der fragt sich, wer noch mal Joyce oder Proust gewesen sind.
FAS Nr. 1, 9. Januar 2022, Feuilleton Seite 36
»Gaito Gasdanows große Kunst ist, das Wesentliche zu zeigen, ohne es direkt zu benennen (wodurch dieses Wesentliche sofort banalisiert würde). Er erschafft eine Welt, die es, vielleicht, in der Realität nie gegeben hat, die aber in seiner Seele existiert und wahrer ist als das, was wir täglich in der Zeitung lesen.
Seine Erzählungen sind traurige, wehmütige, absurde Märchen, die noch lange nach dem Lesen in einem leben, von denen Bruchstücke in die nächtlichen Träume wandern, die einem urplötzlich einfallen, wenn man mit einem Unbekannten spricht oder auf einer Parkbank sitzt oder mit der Straßenbahn durch die späte Nacht fährt und auf die Lichter der Stadt schaut. Sie werden zu einem Teil der eigenen inneren Wirklichkeit und strahlen in das gelebte Leben aus. Was lässt sich Schöneres über die Kunst eines Autors sagen?«