Nach wenigen Gedichten ist alles wieder da. Die Gerüche, die Farben, die Leere. Die nicht vergehende Zeit.
Das Gefühl der Verantwortung, der Druck des Gebrauchtwerdens.
Gerade das Lapidare der Gedichte trifft.
VIELLEICHT
Gibt es viele Zuhause
Nicht nur
Dieses Haus, aus dem sie mich holten
Nicht nur
Diese Wiese, auf der eine Zeitung lag
Im Regen
Ich weiß es genau, eine Zeitung
Aber hier
In einer Fremde
Die meine Sprache spricht
Hier?
25. 9. 78
Du brauchst vielleicht fünf Jahre, dann bist du
so, wie das hier, sagt er und macht eine
Handbewegung. Ich bin einundsiebzig
gekommen, im Kofferraum. Bei dem einen
geht es schneller, bei dem anderen langsamer,
sagt er und zuckt mit den Schultern.
Mit einem Schlag wird klar, wie weit die Anpassung schon fortgeschritten ist an die seelenlose Welt.
Dass das nie wiederkehren wird, für immer weg ist. Die Naivität und die Hoffnung und die Unwichtigkeit von Geld.
Wie viel wir schon vergessen, was wir alles aufgegeben haben.
Und wenn ich wir schreibe, meine ich eigentlich: ich.
ICH WEISS
Wir werden sterben
In diesen Kaufhäusern
Noch bevor
Wir gelernt haben, die fremden Münzen
Zu erkennen
In unserer Hand
Denn diese Welt ist aus Stein
Und wir haben nicht
Ihre Kälte
18. 8. 78
Manchmal
Kommt mir ein Gesicht bekannt vor
Wie heute
Am Savignyplatz: ist das nicht
Aber dann
Weiß ich es wieder
WOHIN
Mit dem Schmerz
Bevor er dumpf wird
Und feindlich
In Zeitungen?
In Mikrofone?
In diese Gesichter
Und Sessel?
Wohin
4. 9. 78
Nachts bin ich nicht hier
Nachts trinke ich Rotwein
Und bin in anderen Städten
In Jena
In Leipzig
In Saalfeld
In Grünheide
Und lese ND
Immer noch lachend
Die Überschriften zuerst
Dann meine Postkarten aus Paris
Die Freunde sitzen auf Hockern
Und reden von fremden Städten und Sternen
Als wollten sie weg
Jürgen Fuchs, Tagesnotizen. Gedichte
Das Büchlein, 1979 im Rowohlt-Verlag erschienen, fand ich in der Bibliothek am Wasserturm, aus den Beständen aussortiert. Aussortiert aus einer öffentlichen Bibliothek in Berlin Prenzlauer Berg.