Es ist schwer in Rom zu leben. Die Spannungen, denen man hier ausgesetzt ist, sind nicht die gewohnten, nicht die, aus denen wir unsere Kraft zu schöpfen gelernt haben. Wohl kann man die Gegensätze, welche diese Spannungen bewirken, auf einfache Formeln bringen: Vitalität und tödliche Schwermut, brausende, lärmende Gegenwart und schwere, belastende Vergangenheit, Augenfreude und Erfahrung sozialer Not. [...] Nur für Ferienreisende ist Rom noch ein Museum oder ein historisches Seminar. Es ist eine moderne Großstadt, eine brüllende, ratternde Verkehrshölle, in der gehetzte und mürrische Leute ihren mühsamen Tag bestehen. Es ist ein verwirrendes Nebeneinander widersprechender Erscheinungen und eine geheimnisvolle Einheit zugleich.
Juliane Ziegler, Herzlandschaft. Marie Luise Kaschnitz und Italien