Lektüre

26.06.2025

Lektüre26. Juni

Die Stoßtruppe Trotzkis setzt sich aus etwa tausend Arbeitern, Soldaten und Matrosen zusammen. Die Elite dieses Korps wurde aus Arbeitern der Putilow- und Wiborgwerke, Matrosen der baltischen Flotte und Soldaten der lettischen Regimenter rekrutiert. Zehn Tage lang proben diese Roten Garden unter dem Kommando Antonow-Owsejenkos eine Reihe von »unsichtbaren Manövern« im Innern der Stadt. Zwischen den vielen Deserteuren, die die Stadt füllen, inmitten der Unordnung, die in den Regierungspalästen, in den Ministerien, in den Bureaus des Generalstabs, in den Postämtern, in den Telephon- und Telegraphenzentralen, auf den Bahnhöfen, in den Kasernen und in den Direktionen der Versorgungsdienste der Hauptstadt herrscht, üben sie sich am hellen Tage und ohne Waffen in der Taktik des Aufstands, und ihre kleinen Gruppen (drei oder vier Mann) bleiben unbemerkt. 

[...] Es ist nicht wahr, daß die Regierung Kerenski nicht die notwendigen Maßnahmen zur Verteidigung des Staates getroffen hat. Kerenski, das muß man ihm gerechterweise zugestehen, hatte getan, was in seiner Macht stand, um einem Staatsstreich vorzubeugen [...] Polizeimaßnahmen genügen nicht mehr, den Staat gegen die moderne Aufstandstechnik zu verteidigen. Der Irrtum Kerenskis ist der Irrtum aller Regierungen, die das Problem der Staatsverteidigung als ein Polizeiproblem ansehen. 

[...] Trotzki behauptete, die Verteidigung des Staates sei eine Frage der Methode. Im Oktober 1917 kannte man nur eine einzige Methode und nur eine einzige konnte angewendet werden, ob von Kerenski oder Lloyd George, von Poincaré oder Noske: die klassische Methode der Polizeimaßnahmen.

Um der Gefahr entgegenzutreten, läßt Kerenski das Winterpalais, das Taurische Palais, die Ministerien, die Telephon- und Telegraphenzentralen und den Sitz des Generalstabs mit regierungstreuen Truppen, Junkern und Kosaken, besetzen. Die 20000 Mann, auf die er in der Hauptstadt zählen kann, sind also mobilisiert, um die strategischen Punkte der politischen und bureaukratischen Organisation des Staates zu sichern. Das ist der Fehler, von dem Trotzki profitieren wird. 

[...] Um den Plan Trotzkis zu verstehen, muß man sich darüber klar sein, was Petrograd damals war: gewaltige Massen von Deserteuren, die zu Beginn der Februarrevolution die Schützengräben verlassen hatten und sich über die Hauptstadt ergossen, sich auf sie gestürzt hatten, als gelte es, das Reich der Freiheit zu plündern, lagerten seit sechs Monaten auf Straßen und Plätzen, zerlumpt, verdreckt, verkommen, betrunken und ausgehungert, scheu und wild, bereit zur Revolte und zur Flucht, das Herz brennend vor Durst nach Frieden und Rache. 

[...] Seit zehn Tagen trainieren Trotzkis Rote Garden methodisch im Zentrum der Stadt. Antonow-Owsejenko dirigiert am hellen Tage diese taktischen Übungen, diese Art von Generalprobe des Staatsstreichs inmitten des Straßentumults bei den Gebäuden, die die strategischen Punkte des bureaukratischen und politischen Apparates sind. Polizei und militärische Kommandostellen sind derart von der Idee einer plötzlichen Erhebung der proletarischen Massen besessen, derart damit beschäftigt, diese Gefahr abzuwehren, daß sie von den Gruppen Antonow-Owsejenkos gar nichts wahrnehmen. [...]

Trotzki ist es gelungen, sich den Plan der technischen Versorgungsdienste der Stadt zu verschaffen. [...] Ein Stadtviertel oder auch nur ein einzelner Häuserblock muß in wenigen Minuten isoliert werden können; Trotzki unterteilt die Stadt in Sektoren, legt die strategischen Punkte fest, verteilt die Aufgaben [...]

Die Polizei Kerenskis und die Militärbehörden sind vor allem besorgt, die bureaukratischen und politischen Organisationen des Staates, Ministerien, Marien-Palais, Rat der Republik, Taurisches Palais, Duma, Winterpalais und Generalstab zu sichern. Trotzki, der diesen Fehler erkennt, wird seinen Angriff auf die technischen Organe der staatlichen und städtischen Maschinerie beschränken. Für ihn ist das Problem des Aufstands ein Problem technischer Natur. – »Um sich heute des Staates zu bemächtigen«, sagt er, »braucht man eine Stoßtruppe und Techniker: Trupps bewaffneter Männer, Ingenieure als Einsatzleiter.«

Curzio Malaparte, Technik des Staatsstreichs

 

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