László Darvasi erhielt als erster Schriftsteller für seine Trilogie »Die Neandertaler« den neugegründeten Esterházy-Literatur-Preis. Im Interview mit Zsuzsua Mátraházi denkt Darvasi über die Entstehung der Fiktion und ihre Bedeutung heute nach: »Ich habe selten einen edleren Kampf gesehen als die Schaffung reiner Fiktion. Ich verstehe, warum die meisten heutigen ungarischen Schriftsteller damit beginnen, autobiografisch zu schreiben. Aus dem Aufblühen der Biografie entstehen interessante und schwerwiegende Geschichten, aber die Literatur verlangt noch mehr. Wir befinden uns in einer schrecklichen, wenn man so will, außergewöhnlichen historischen Situation, in der Worte und Ereignisse nicht leicht zueinander finden. Das Drama erscheint nicht als Drama, man kann an der Tragödie vorbeigehen. Es gibt mehrere Realitäten, die gültig erscheinen. Der junge Schriftsteller klammert sich an sich selbst, an sein persönliches Leben, gut. Ich glaube dennoch, dass eben die Vorstellungskraft ihn aufrechterhalten wird. (...) Vielleicht hat Géza Morcsányi, der Gründungsdirektor des modernen Magvető-Verlags recht, wenn er sagt, dass Lesen ein Luxus werden wird. Ein Privileg der intellektuellen Schicht. Wir leben in einer Welt, in der nicht nur die Geschichte in Frage gestellt wird, sondern auch unsere eigene Realität, denn unser Leben wird von Algorithmen, dem Internet und künstlicher Intelligenz beeinflusst. Lange und in aller Ruhe darüber zu sprechen, wie es beispielsweise im 20. Jahrhundert war, wie es mein Buch tut, ist eine ausgesprochen radikale Handlung. Radikal traditionell.«
