ENGLISCHE ERÖFFNUNG


Englische Eröffnung
Drehbuch für einen Spielfilm, 1998

 

ENGLISCHE ERÖFFNUNGDrehbuch für einen Spielfilm


Exposé

Vorgeschichte

Juli.

In M., einem kleinen Ort auf dem Lande, lernen sich Alexander und Clara kennen. Alexander (21) studiert Mathematik und spielt ausgezeichnet Cello. Clara (38) arbeitet als Anglistin/Übersetzerin für Verlage und in verschiedenen Projekten, sie ist ausgebildete Sängerin mit einer schönen Altstimme. In M. finden Proben zu Haydns »Die sieben letzten Worte...« statt, an denen Musiker aus verschiedenen Städten teilnehmen, u. a. Alexander und Clara (und auch Alexanders bester Freund, Bernd, der Geige spielt). Die dreiwöchigen Proben werden mit einer Aufführung des Werkes in einer Kirche abgeschlossen. Da nichts Attraktives, das man in den freien Stunden besichtigen könnte, in der Nähe liegt, sind alle Teilnehmer ganz auf sich angewiesen, sie verbringen viel Zeit zusammen; so auch Alexander und Clara, die, nach gelegentlichem Zusammentreffen an Abenden der ersten Woche (Alexander versucht, Clara Schachspielen beizubringen, aber sie kapituliert), immer häufiger intensive Gespräche führen und gemeinsame Spaziergänge unternehmen. Am Ende der dritten Woche verabschieden sie sich sehr warm voneinander.

 

1. Akt

September.

Alexander sitzt im Zug. Er hält einen Brief in der Hand, den Clara aus dem Off vorliest: sie lädt ihn, nachdem sie zwei Monate nichts voneinander gehört haben, übers Wochenende in ihr Sommerhaus ein, u.a. um den Konzertmitschnitt, der inzwischen als CD erschienen ist, anzuhören. Sie hat noch andere Teilnehmer vom Juli miteingeladen.

Alexander klingelt an der Tür, die von Franz (42), Claras Mann, geöffnet wird. Alexander stellt sich vor, Franz zeigt ihm den Weg in den Garten, bleibt selbst jedoch im Haus, da er noch zu tun hat.

Alexander geht in den Garten, wo Clara und einige andere Gäste sitzen; sie begrüßen sich, und Alexander entschuldigt seinen Freund Bernd. Beim Wiederplatznehmen richtet Clara es so ein, daß Alexander neben ihr zu sitzen kommt. Es wird erzählt, Photos werden herumgereicht, Erinnerungen ausgetauscht. Nach und nach treffen noch einige Gäste ein, die von Clara aber nur noch flüchtig begrüßt werden; sie und Alexander sind zu sehr in ihr Gespräch vertieft.

Es dämmert bereits, als Franz hinzukommt und dadurch die Unterhaltung unterbricht. Es gibt ein kurzes Stocken, einen Blickwechsel; dann gehen alle auf Franz’ Vorschlag ins Haus, um zu essen und danach die CD zu hören.

Die Musik wird aufgelegt, alle sind voller Erwartung. Während der Vorführung wird in Rückblenden die Vorgeschichte erzählt.

Einige Monate später – Januar.

Alexander sitzt in seinem Zimmer; eine gute Freundin, Nathalie (22), ist bei ihm (sie studiert Biologie). Alexander liest einen Brief von Clara, in dem sie ihn – als Entschädigung dafür, daß sie sich seit drei Wochen nicht gesehen haben – zu einem Konzert einlädt, in dem sie als Solistin auftritt. Dem Brief liegen zwei Karten bei, die zweite ist für Bernd, der nicht zum Nachtreffen kommen konnte. Alexander liest Nathalie den Brief vor und fragt sie, ob sie mitgehen wolle. Nach kurzer Diskussion ist sie einverstanden.

Nach dem Konzert warten Alexander, Nathalie und Franz am Bühneneingang auf Clara, die schließlich, den Arm voll Blumensträuße, erscheint; sie ist in bester Stimmung. Alexander stellt ihr Nathalie, die sie noch nicht kennt, vor. Clara reagiert kühl. Sie gehen zu viert feiern. Clara spricht viel mit Nathalie; Alexander und Franz sitzen fast die ganze Zeit über stumm daneben. Kurz vorm Abschied teilt Clara Alexander mit, daß sie in zwei Wochen für den Rest des Jahres nach London gehe, wo sie für einen Verlag arbeiten werde. Alexander sitzt wie versteinert.

 

2. Akt

Februar.

Clara ist in England. Alexander denkt fast ununterbrochen an sie, leidet unter der Trennung. Er schreibt fast täglich lange Briefe, bekommt aber nur selten Antwort, da Clara mit Arbeiten überhäuft ist. Täglich wiederholt sich das gleiche Spiel: Alexander schaut, auf den Postboten wartend, aus dem Fenster, stürmt, wenn dieser wieder gegangen ist, die Treppe hinunter, doch meistens ist der Kasten leer. Ganz gleich, ob nun ein Brief gekommen ist oder nicht, Alexander ist so sehr in seine Gedanken eingesponnen, daß er sich überhaupt nicht auf seine Arbeit konzentrieren kann; er lebt sehr zurückgezogen, geht kaum aus dem Haus. So langsam beginnt seine Umwelt, auf diese Veränderungen aufmerksam zu werden.

Bernd ruft an, um ihm den Termin für die gemeinsame Kammermusikprobe mitzuteilen. Alexander wirkt unkonzentriert, ist sehr einsilbig, entschuldigt dies damit, daß er am nächsten Tag in der Uni einen Vortrag zu halten habe.

Bei dem für Alexander wichtigen Vortrag versagt er vollkommen. Prof. Scheidler, der große Stücke auf ihn hält und gerade dabei ist, ihn in einer Forschungsgruppe im Ausland unterzubringen, ist maßlos enttäuscht, auch besorgt – er bittet ihn, kurz angebunden, für den nächsten Tag zur Konsultation.

Alexander kommt zu spät zur Probe. Er entschuldigt sich, die drei anderen (Bernd, Klaus, Ulrich) werfen sich Blicke zu. Sie beginnen zu spielen, aber Alexander verpaßt Einsätze, ist unrhythmisch, verspielt sich. Nach einigen Anläufen brechen sie die Probe ab, da es offensichtlich keinen Sinn hat. Aufgebracht verläßt Klaus die Wohnung; Bernd gibt Ulrich, zu verstehen, daß er besser gehen solle. Er bleibt mit Alexander allein, fragt ihn, was mit ihm los sei. Alexander antwortet zunächst nicht, erzählt dann jedoch vom vollkommen mißlungenen Vortrag und schließlich auch von seiner Beziehung zu Clara: daß er die Trennung nicht ertrage. Bernd reagiert besorgt, versucht, Alexander zu beruhigen. Schließlich fragt er nach Alexanders Beziehung zu Nathalie. – Alexander findet, als er nach Hause kommt, einen Brief von Clara im Kasten. Alle Sorgen vergessend rennt er die Treppe hinauf.

Alexander ist zur Konsultation bei Prof. Scheidler. Dieser hält ihm eine lange Rede, welche Hoffnungen er in ihn gesetzt habe, daß er sein Talent vergeude, worauf Alexander mit keiner Silbe reagiert. Scheidler fragt vorsichtig, ob Alexander zur Zeit Probleme habe, ob er ihm helfen könne, was Alexander zurückweist. Scheidler teilt ihm dann mit, daß ihn vor drei Tagen die Zusage für das beantragte Auslandssemester erreicht habe, die Projektgruppe am King’s College in London wolle ihn nehmen; er habe aber nach dem gestrigen Desaster seine Zweifel, ob er ihn guten Gewissens nach England schicken könne. Alexander ist bei dem Wort London hellwach geworden; er räumt nun ein, daß er wegen einiger Sorgen nicht zum Arbeiten gekommen sei, auch leide er im Winter immer unter Depressionen. Ein Aufenthaltswechsel werde sich aber sicherlich positiv auswirken, er käme auf andere Gedanken und auch wieder zum Arbeiten. Scheidler hofft dasselbe, ist erleichtert. Nachdem Alexander gegangen ist, beginnt er sofort, alle Hebel in Bewegung zu setzen.

März.

Alexander ist in London. Erst jetzt, nach seiner Ankunft, ruft er Clara an, um ihr sein Kommen mitzuteilen. Sie ist überrascht, freut sich; sie vereinbaren ein Treffen für den kommenden Abend. Von nun an verbringen sie jeden freien Abend gemeinsam. Beide leben auf. Sie erkunden zusammen die Stadt, gehen in Museen, in Konzerte, ins Theater, an einem Wochenende fahren sie nach Oxford. Beide kommen mit ihrer Arbeit gut voran. Scheidler erhält nach 8 Wochen einen äußerst positiven Zwischenbericht über seinen »Schützling«.

August.

Bernd fliegt für eine Woche zu Besuch nach London. Nach und nach erfährt er von dem Verhältnis zwischen Alexander und Clara – daß es rein freundschaftlicher Natur sein soll, kann er nicht glauben. Er redet Alexander ins Gewissen, fragt, wie das denn weitergehen solle. Sie streiten sich, Bernd wirft Alexander mangelndes Vertrauen vor. Er fährt ab, ohne daß es zu einer Versöhnung gekommen wäre.

Alexander denkt nun erneut über seine Beziehung zu Clara nach, fragt sich nach seinen Motiven – dabei gesteht er sich zum ersten Mal, Clara nicht nur freundschaftlich zugetan zu sein, sondern sie zu lieben.

Da Clara sich wegen beruflicher Angelegenheiten gerade an der englischen Küste aufhält, Alexander aber nicht mehr viel Zeit in England bleibt, bittet er sie, sie dort besuchen zu dürfen. Sie ist einverstanden, daß er im September kommt, da könne sie ein paar Tage frei nehmen, bevor sie nach London zurück müsse.

September.

Alexander fährt für vier Tage zu Clara. Es kommt zu Andeutungen, dann fast zu Geständnissen. Beide sind aufgewühlt und wissen nicht, wie sie sich entscheiden sollen. Es fehlt ihnen der Mut für eine tatsächlich ins Leben eingreifende Veränderung. Clara will und kann sich nicht von ihrem Mann trennen, Alexander will nichts fordern oder gar erzwingen. So stimmen beide am Ende dem Verzicht zu. Die gemeinsame Rückfahrt verläuft harmonisch, die Aussprache hat bei beiden zu einer Beruhigung geführt. Sie verabschieden sich noch am Bahnhof; Alexander fliegt am gleichen Abend nach Deutschland zurück.

 

3. Akt

12 Jahre später.

[Inzwischen ist Alexander mit Nathalie verheiratet. Sie haben zwei Kinder: Sophia (6) und Robert (4). Alexander hat sich inzwischen habilitiert und arbeitet in einem Forschungsprojekt, in dem er sehr anerkannt ist, wenn auch als schwierig gilt. Die Ehe füllt ihn nicht aus, im Grunde führen beide Partner ihr eigenes Leben. Alexander arbeitet viel und nimmt nur selten am Familienleben teil, worunter vor allem die Kinder leiden, die mit Scheu und Bewunderung an ihm hängen. Clara und Franz führen noch immer ihre ruhige Ehe, mit viel Wärme, aber ohne große Leidenschaft. Franz kränkelt.]

An einem Abend kommt Alexander nach Hause, die Kinder stürzen auf ihn los, da klingelt das Telefon: es ist Clara, die mitteilt, daß Franz gerade ins Krankenhaus eingeliefert worden sei und noch heute operiert werde. Es stehe sehr schlecht um ihn. Alexander fährt sofort ins Krankenhaus.

Die Operation ist gelungen, Franz soll zur Erholung ans Meer fahren. Die beiden Paare beschließen, zusammen Urlaub zu machen, da sie sich so in der Pflege ablösen können. Nathalie kann wegen ihrer Arbeit erst eine Woche später nachkommen. Täglich berichtet ihr Alexander telefonisch über das Wohlergehen der Kinder und die gesundheitlichen Fortschritte von Franz; Nathalie ist erstaunt und verärgert, daß er auf einmal eine solche Fürsorge entwickelt. An einem Abend, an dem sie erschöpft nach Hause kommt, steht Bernd vor der Tür; sie weint sich bei ihm aus, und er gesteht ihr, daß er sie immer geliebt und darunter gelitten habe, in Alexanders Schatten zu stehen. Er redet ihr zu, sich scheiden zu lassen. Nathalie schiebt ihre Abreise hinaus, um Zeit zum Nachdenken zu haben; schließlich fährt sie in der letzten Woche doch noch. Mit ihrer Ankunft reißt die Urlaubsidylle in Fetzen: sie verlangt die Scheidung. Nach dem ersten Schock beruhigt sich Alexander jedoch rasch, er spricht kein heftiges Wort, ist mit allem einverstanden, wirkt kühl und sachlich.

Nach der Rückkehr zieht er sofort aus und nimmt sich eine kleine Wohnung in Claras Nähe. Er hilft ihr bei der Pflege von Franz, dessen Zustand sich stetig verschlechtert. Der Kontakt zu den Kindern wird immer loser, worunter Alexander leidet. Er und Clara leben ganz in der Gegenwart, es passiert nichts Außergewöhnliches, die Tage fließen in ruhiger Gleichförmigkeit dahin; an das Vergangene wird von beiden nicht gerührt.

Herbst.

Nach ein paar Jahren stirbt Franz. Nach der Beerdigung fahren Alexander und Clara zum Sommerhaus. Clara holt ein Schachbrett hervor, stellt langsam die Figuren auf. Alexander, der aus dem Fenster gesehen hat, dreht sich nach ihr um, sieht sie erstaunt an. Beide setzen sich einander gegenüber, Clara hat weiß, Alexander schwarz. Nach kurzem Zögern zieht Clara den ersten Stein: es ist die englische Eröffnung. Alexander schaut sie erstaunt an, sie ihn, so verharren sie einen Moment in stummem Blick; dann beginnen sie zu spielen. Aus dem Off erklingt die Aufnahme des Haydn, den sie vor 16 Jahren gemeinsam gespielt haben.

 

Ende.

 

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