Prosanova: 3. Festival für junge Literatur

29.05.2011

Prosanova: 3. Festival für junge LiteraturBericht

Champagner und Schüsse
Jetzt lesen wir mal ohne ein Glas Wasser: Das dritte Festival für junge Literatur Prosanova


Hildesheim Das Gelände der ehemaligen Mackensen-Kaserne am Rande der Stadt ist ideal: leere Hallen für Lesungen und Streitgespräche, eine struppige Wiese zum Diskutieren und Träumen, Party- und Tanzflächen, in der Ferne ein Hügel als Ruhepunkt fürs Auge. Und über allem ein großer Himmel – Nachhallraum für Wörter und Klänge.

Prosanova, das größte Festival für junge deutschsprachige Gegenwartsliteratur, entwickelt hier noch bis zum Sonntag die Lesung als eigenständige Kunstform. Natürlich trifft man auf die vertrauten Utensilien: Mikrofon, Tisch, Stuhl, Leselampe, Wasserglas. Darüber hinaus treibt die siebzig Studierenden der Universität Hildesheim, die das Festival zum dritten Mal auf die Beine gestellt haben, aber die Frage: Wie kann man diesen festgezurrten Rahmen sprengen, wie könnte sie aussehen, die ideale Lesung, die gegenseitige Infizierung von Autor, Text und Publikum?

Und so gehört bei den Dunkellesungen, Elefantenrunden, Schusswechseln und Fadenspielen, wie die mehr als dreißig Veranstaltungen heißen, die Rückkopplung immer schon zum Programm. Nicht nur, dass die Grenze des Mediums Lesung ins Interdisziplinäre verschoben, nach der Schönheit von Schnittmengen aus Wort und Klang und Bild gefragt wird, nicht nur, dass in einer täglich erscheinenden Zeitung das Festival seinen eigenen salopp-kritischen Kommentar bereits zum Frühstück ausliefert und die Selbstmythisierung vorantreibt: Vor allem geht es natürlich um Spiel und Interaktion, den Moment, in dem eine Lesung Flügel bekommt.

So bei Elke Erb und Christian Filips, die sich den Fragen eines gemeinsamen Dichterhaushalts stellten, Kartoffeln schälten, Gedichte lasen. Bei einem der gewichtigsten Texte dann entstand, durch herumgereichten Champagner, eine Bewegung im Publikum, die, von den meisten nahezu unbemerkt, das Thema szenisch aufnahm, konturierte: die beschämende Gleichzeitigkeit von Luxus, Elend und mörderischer Gewalt. Für diese Interferenzen, unvorhersehbar, unprobbar, sind Festivals da.


FAS Nr. 21, 29. Mai 2011, Feuilleton Seite 22

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