Die Farne Islands rollen wie riesige versteinerte Wellen gegen die Richtung der Brandung in die Nordsee hinaus. Jede der Inseln ist in Fetslandsnähe flacher und bäumt sich dann nach Osten hin gegen das Meer auf. Die äußeren Inseln laufen schließlich langsam in kleineren Felswellen aus. Ursprünglich waren alle Inseln durch Kalksedimente mit dem Festland verbunden. Die wurden jedoch von der Erosion über die Jahrmillionen ausgewaschen, sodass heute nur noch der ausgehärtete magmatische Dolerit übriggeblieben ist und der See widersteht. Dieses Gestein ist Teil des Great Whin Sill, das wie ein riesiger Schild in der Geologie Nordostenglands ruht. Es handelt sich um Lava, die zwischen ältere Gesteinsschichten eingedrungen ist und dort im Erkalten einen mächtigen sogenannten Lagergang gebildet hat. In der gesamten Region liegen unmittelbar auf diesem Lagergang einige der größten Kohlegebiete des Vereinigten Königreichs: die Northumberland und Durham Coalfields, die im 19. und 20. Jahrhundert im großen Stil abgebaut wurden. Manche der Flöze reichen unter den Meeresboden, und häufig findet man auf den hellen Sandstränden nach der Flut Bänder aus grobem Kohleabrieb.
In den Siebziger- und Achtzigerjahren kamen Menschen, die von der Wirtschaftskrise in die Arbeitslosigkeit und von Thatchers Entkernung des Sozialstaates in die Obdachlosigkeit gestoßen worden waren, an die Strände der Region, um Kohleabfall zu sammeln, den das Meer aus den aufgelassenen und nicht ordnungsgemäß versiegelten Minenstollen geschwemmt hatte. Chris Killips Fotografien sind einzigartige Dokumente dieser Zeit – erschütternd in der Präzision, mit der sie die politische Verwahrlosung dieser Urszenen des Neoliberalismus dokumentieren; berührend in der Zärtlichkeit, mit der sie die gefährdete, doch dichtgewobene Gemeinschaftlichkeit einfangen.
Bernhard Malkmus, Himmelsstriche – Vom Leben der Vögel und Überleben der Menschen