Ich habe die Praxis des Schreibens schon verloren, bevor ich beginne. So wie es unzählige Arten gibt, Erfahrungen und Praktiken durch Theorien zu überschreiben, gibt es unzählige Gründe, nicht zu schreiben: Termindruck, Wäscheaufhängen und Kochen, Geldverdienen, Verabredungen, E-Mails oder der Gang zum Supermarkt – alle diese Ausreden setze ich, vor mir, vor den anderen, immer wieder ein, um nicht zu schreiben. Etwas anderes ist vorgeblich immer wichtiger als die Strapaze des hochkonzentriert Am-Laptop-Sitzens. Habe ich einen Widerstand beiseite geräumt, erscheint sofort der nächste, und augenblicklich beginnen To-do-Listen in meinem Kopf zu wuchern. Dabei geht es beim Schreiben genau darum: die Ausflüchte niederzukämpfen, mit denen ich mich vor dem erst qual-, dann (wie ich doch weiß!, und fürchte!) lustvollen Prozess zu fliehen versuche. Ich bestehe aus Ausflüchten, mit denen ich mich nicht nur dem Schreiben entziehe, sondern auch allem anderen. Ich verharre in jener beharrlichen Sphäre der Pseudo-Aktivität, in der ich mein Leben verbringe – ein Leben in Ausflüchten und Ablenkungen, die das Schreiben verhindern. Und selbst mein augenblickliches Schreiben, das Schreiben dieses Textes, ist eine Ausflucht und Ablenkung: Es bedeutet die Abtrennung von der Praxis, das Eigentliche zu schreiben, mein Buch. Selbst wenn ich über mein eigenes Schreiben schreibe, höre ich nicht auf, nicht zu schreiben.
Jedes Theoretisieren der Schreibpraxis hält mich vom eigentlichen Schreiben ab: Es entspinnt sich das Drama zwischen Theorie und Praxis, Transzendenz und Immanenz, Geist und Körper, Denken und Tun. Und wenn ich es einmal, endlich, schaffe, warum schweife ich dann dauernd ab? Warum verlaufe ich mich in meiner Bibliothek, lese Satz um Satz, Text um Text, Buch um Buch, statt selbst zu schreiben?