Dein Text »Writing in Nature« ist großartig. Steckt dahinter tatsächlich ein Konzept für einen neuen Roman? Und wie willst Du einen posthumanen Roman schreiben, wenn doch der Fluss und der Stein ohne Selbstbewusstsein sind und nichts erklären? Was hast Du also vor, damit daraus kein Sachbuch wird.
Das Konzept erscheint mir religiös. Du sprichst von der unvergänglichen Schönheit der Natur. Du lässt alle Hoffnung fahren, kein Aufbegehren, kein Kampf um die Erhaltung der Natur, damit der Mensch weiter in ihr lebe, ein Sich-Fügen in die Menschendämmerung, die der Natur die Ruhe danach gönnt, zufrieden mit dem Hier und Jetzt und einverstanden mit dem bevorstehenden Vergehen des Einzelnen am Ende seines Lebens und der Menschheit als Ganzem in der Apokalypse. Ich denke, dass dieses Einverständnis in den Tod das momentane Leben sehr erleichtern könnte. Ein Mensch, der sein Sterben als letzte große Erfahrung sieht und annimmt, steht dem Tod anders gegenüber als jemand, der alles dafür tun würde, um immer wieder einen weiteren Tag leben zu können. Tatsächlich ist die Angst vor dem Tod und das Ignorieren des Todes, obwohl er ständig in unserem Unterbewusstsein existiert, der Hauptgrund für unser naturzerstörendes Verhalten. Das uneingestandene Bewusstsein der eigenen heraneilenden Vergängnis, lässt die Menschen immer gehetzter leben. Sie suchen den schnellen wirtschaftlichen Erfolg, konsumieren immer hemmungsloser, fahren und fliegen immer schneller und weiter, immer auf der Hut, keine Zeit zu verlieren, und merken nicht, dass sie damit zu Feinden der Natur werden. Denn die Natur ist langsam, sperrig, geduldig. Sie ist im Weg.
Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr am Siebten ziemlich kontrovers über den Text diskutiert habt. Vielleicht lag den Besuchern ja der Text auch schon als Manuskript vor. Der Begriff »Letzte Generation« irritierte mich. Die sogenannte Letzte Generation will ja gerade das nicht werden, will nicht letzte Generation sein. Sie benutzt diesen Begriff als selbst empfundene Bedrohung und als Vorwurf. Deine letzte Generation dagegen sagt: Wir nehmen unser Ende an. Wir haben es vergeigt, ok. Wir treten jetzt ab. Es ist besser so. Dieser Baum oder dieser Berg ist im Moment schön. Ich erfreue mich an ihm, aber ich erfreue mich auch an der Tatsache, dass er nach mir immer noch schön sein wird. Dein Text beschreibt den dritten Weg: Die einen zerstören egoistisch die Natur, denn sie sehen nur sich und ihre begrenzte Lebensspanne, im Sinne von: Nach mir die Sintflut. Die anderen denken primär an die nächste und alle folgenden Generationen und führen ein Leben in Verzicht und Angst. Dein Weg ist der dritte. Du nimmst dem Leben den Druck, der durch Selbstoptimierung und Erlebnismaximierung aufgebaut wird, der sich gegen die Natur richtet und am Ende das menschliche Leben auslöscht. Du nimmst dem Leser die Hoffnung und schärfst seinen Blick für die Schönheit des Augenblicks ohne Gedanken an die Zukunft. Denn Deine Zukunft ist Futur II, ist schon vorbei. (zitiert aus einem Brief von U. L.)