- Jetzt habe ich aber ein anderes Anliegen.
- Und zwar?
- Dass Sie mir sagen, wie Sie zu der entschiedenen Gewissheit in Hinsicht des Wetters gekommen sind.
- Gut, gehen wir hinüber zum Bienenhaus und setzen uns dort, dann werde ich Ihnen sagen, woraus ich meine Schlüsse gezogen habe.
Wir gingen den Sandweg hinauf, an dem Obstbäume und Linden standen.
- Sie haben die Apparaturen in meinem Büro gesehen, sie erklären aber nur einen Teil der Sache.
- Ja, mir sind Barometer, Thermometer sowie ein Luftblau- und ein Feuchtigkeitsmesser aufgefallen, aber diese habe ich auch, und sie wiesen alle auf das kommende Gewitter hin, nicht darauf, dass es ruhig bleiben würde.
- Richtig, das Barometer ist gefallen, und der niedrigere Luftdruck deutete auf Regen. Auch der Feuchtigkeitsmesser zeigte an, dass die Feuchtigkeit zunahm. Aber der Elektrizitätsmesser verkündete wenig Luftelektrizität, so dass eine Entladung, die hier in der Gegend meist mit Regen verbunden ist, nicht zu erwarten war.
- Aber hat sich gegen Abend nicht ausreichend elektrische Spannung entwickelt? So dass schließlich alle Werte auf einen Niederschlag deuteten?
- Wie Sie gesehen haben, bildeten sich ja auch Wolken, und sie führten zum Anstieg der Elektrizität. Aber auch die Farbe des Himmels und die Gestalt der Wolken sind bei der Prognose zu berücksichtigen.
- Die Luft war bereits am Vormittag von tiefem und finsterem Blau, welche dem Regen vorangeht. Und Wolken bildeten sich seit dem Mittage, schnell und mächtig.
- Stimmt, es bildete sich eine ungewöhnliche Menge von Wolken. Aber andere Merkmale sind Ihnen entgangen, und sie deuteten darauf, dass es trocken bleiben würde. Um diese Merkmale zu erkennen und richtig zu deuten braucht es Erfahrung, lokales Wissen, so kann etwa das Erscheinen eines kleinen Wölkchens an einer bestimmten Stelle des Himmels, der sonst ganz wolkenlos ist, in einer bestimmten Gegend ein sicherer Anzeiger für ein Gewitter sein, oder eine Eintrübung des Himmels an einer gewissen Stelle des Himmels, von einem kräftigen Windstoß aus einer Richtung ist sicher der Vorbote eines Landregens, alle wissen dann, dass der Regen immer kommt. Solche Anzeichen hat natürlich auch unsere Gegend hier, und es sind gestern keine eingetreten, die auf Regen deuteten.
- Und das Ausbleiben dieser Zeichen ließ Sie darauf schließen, dass es nicht regnen würde?
- Nicht allein. Ich hatte noch andere Gründe.
- Aha.
- Alle Zeichen, über die wir bis jetzt geredet haben, sind sehr grobe und werden von uns meistens nur mittelst räumlicher Veränderungen erkannt, die, wenn sie nicht eine gewisse Größe erreichen, von uns gar nicht mehr beobachtet werden können. Der Schauplatz der Witterungsverhältnisse ist sehr groß und komplex, so dass Parameter, die wir nicht berücksichtigen, Ursachen und Gegenanzeigen sein können, die, wenn sie uns bekannt wären, unsere Vorhersage ins Gegenteil umstimmen würden. Die Anzeichen, auch die gemessenen, können täuschen. Es sind aber noch viel feinere Vorrichtungen vorhanden, deren Beschaffenheit uns ein Geheimnis ist, die von Ursachen, die wir sonst gar nicht mehr messen können, noch betroffen werden und deren Wirkung eine ganz gewisse ist.
Ich schaute ihn erwartungsvoll an.
- Bitte lachen Sie nicht: Ich meine die Nerven.
- Sie spüren's im Kreuz, wenn ein Regen kommt?
- Ich nicht, aber die Tiere. Viele Tiere sind von Regen und Sonne so abhängig, ja, mitunter hängt ihr Leben davon ab, dass sie körpereigene Instrumente besitzen, die ihnen sicher anzeigen, das heißt, sie spüren lassen, ob eine Wetteränderung droht. Diese Empfindungen können wir nicht teilen, aber wir können beobachten, wie die Tiere darauf reagieren, indem wir beobachten, welche Anstalten für die Zukunft sie treffen. Einige finden ihre Nahrung, wenn es feucht ist, andere verlieren sie dann, die einen suchen Schutz vor der Nässe oder bringen ihre Brut in Sicherheit, andere müssen ihre Wohnung verlassen oder eine andere Arbeit suchen. Da die Auswirkungen auf das Leben der Tiere bedeutend sind, sie jeden unnötigen Energieverlust scheuen, müssen die Vorempfindungen gewiss sein. Es genügt also, die Verrichtungen, das Verhalten der Tiere zu beobachten, um sichere Rückschlüsse zu ziehen. Die besten Wetterkenner sind die Insekten, nur sind sie für unsere Augen oft so klein und unscheinbar, dass sie unserer Beobachtung leicht entgehen, aber von den Winzlingen hängen wiederum größere ab, und aus deren Verhalten lassen sich ebenso Rückschlüsse ziehen, nur muss man da sehr genau sein, weil man eben schon die Gruppe mit der genauesten Empfindung übergangen hat. Die Gefahr, sich zu irren, wächst. Dass die Spinnen Wetterverkünder sind und die Ameisen den Regen vorhersagen, haben Sie bestimmt schon gehört? Ihnen muss man nachforschen, sehen, wie sie leben, fressen, brüten, sich schützen. Ebenso die Pflanzen, vor allem bestimmte Blumen.
(Stifter, Nachsommer, paraphrasiert)