Für die Tasche Et in arcadia ego: Mit neun Literaturklassikern und einer Neuerscheinung widmet sich die Sommerkollektion des Wagenbach-Verlags diesmal Italien. Es ist nicht nur eine Einladung, die verschiedenen Regionen des Landes zu erkunden, sondern auch die ganz unterschiedliche Mentalität ihrer Bewohner, die Dialekte und Sprechweisen kennenzulernen. Angefangen in Venedig, das der Leser an der Seite von Tiziano Scarpa durchstreift und wo er lernt, was man hier alles mit Füßen und Händen, Gesicht, Ohren und Augen erfahren kann. Weiter geht es in Giorgio Bassanis Emilia-Romagna, in sein schwermütiges bürgerlich-jüdisches Ferrara, und dann weiter nach Rom, wo zwei Roman-Klassiker der Nachkriegsliteratur zu einem längeren Aufenthalt einladen: Alberto Moravias »La Noia«, dieses Psychogramm eines Depressiven (in schnörkelloser neuer Übersetzung), und Pasolinis »Ragazzi di Vita«, das Buch über die römischen Straßenjungen aus den borgate, den Elendsquartieren am Rande der Stadt. Und auch der neue Titel, ein kleiner, raffinierter Roman von Amara Lakhous, der einen Mord durch das Sprechenlassen verschiedener Zeugen aufzuklären versucht und die Wahrheit von Gerüchten umranken lässt, spielt in der Ewigen Stadt. In Capri entdeckt man zusammen mit August Kopisch das Geheimnis der Blauen Grotte. Und in der Hitze Siziliens erzählt Leonardo Sciascia mit Witz, Wut und Glut vom Glanz und vom Elend der Insel. Kühlere Gegenden findet man auf den Spuren von D. H. Lawrence, der 1927 eine Reise zu den Resten der etruskischen Kultur unternahm, bewundert an seiner Seite die Grabanlagen in Cerveteri und Tarquinia, Volci und Volterra und fährt dann weiter ans Meer, das ja in Italien immer ganz nah ist. In Stefano Bennis „Bar auf dem Meeresgrund“ findet man endlich Abkühlung und lauscht der »Erzählung der jungen Dame mit Hut« oder der des »Flohs des schwarzen Hundes«. Um für alle Reiselagen gewappnet zu sein, mit Geduld und Liebenswürdigkeit und vielleicht auch Einfalt, sollte man nicht versäumen, zwischendurch, während der Zugfahrten oder in der Stunde, bevor einen der Schlaf übermannt, immer mal wieder in Goffredo Parises literaturpreisgekröntem »Alphabet der Gefühle« zu lesen, dem gleich zwei Nachworte von Natalia Ginzburg beigegeben sind, in denen sie auf ihre nüchtern-ehrliche Art erklärt, was an diesen Erzählungen Parises so besonders ist – in denen sie einen also ins Nachdenken über die Voraussetzungen des Schreibens führt, dahin, sich bewusst zu werden, was Literatur ist.
Italiens Landschaften bei Wagenbach Giorgio Bassani: »Der Geruch von Heu« (Erzählungen), 112 Seiten, 8,90 Euro. Stefano Benni: »Die Bar auf dem Meeresgrund« (Unterwassergeschichten), 208 Seiten, 10,90 Euro. Amara Lakhous: »Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio« (Roman), 160 Seiten, 10,90 Euro. D. H. Lawrence: »Etruskische Orte« (Reisetagebücher), 192 Seiten, mit vielen Abbildungen, 10,90 Euro. Alberto Moravia: »La Noia« (Roman), 336 Seiten, 12,90 Euro. Goffredo Parise: »Alphabet der Gefühle«, 336 Seiten, 12,90 Euro. August Kopisch: »Die Entdeckung der Blauen Grotte auf der Insel Capri« (Erzählung), 112 Seiten, mit vielen Abbildungen, 9,90 Euro. Pier Paolo Pasolini: »Ragazzi di Vita« (Roman), 240 Seiten, 10,90 Euro. Tiziano Scarpa: »Venedig ist ein Fisch«, 120 Seiten, 9,90 Euro. Leonardo Sciascia: »Das weinfarbene Meer« (Erzählungen), 120 Seiten, 9,90 Euro.
FAS Nr. 33, 16. August 2009, Reise Seite V4