Anna Baar »Divân mit Schonbezug«

23.10.2022 Sprache/Meta

Anna Baar »Divân mit Schonbezug«Kurz-Rezension


Anpassungsmimikry

Österreich ist schon seit Langem ein vortrefflicher Nährboden für die Literatur: die Abgründe in der herausgeputzten Idylle, die Mordspalten im Herzlgesicht, die Doppelzüngigkeiten der Sprache sind der Dünger, mit dem das erzählerische Kraut besonders gut gedeiht. Das beweist auch die im Alter von vier Jahren mit ihrer Familie von Zagreb nach Klagenfurt und Wien migrierte Anna Baar, die in ihrem bei Wallstein erschienenen Erzählungsband »Divân mit Schonbezug« (153 Seiten, 20 Euro) ihre Wahlheimat schonungslos unter die Lupe nimmt. Bitterbös und genau, voller Wut über die ihr in Kindertagen angetanen Verletzungen, den erzwungenen Opportunismus in Schule und Nachbarschaft. Anna Baar beschreibt das Leben zwischen den nationalen Stühlen und beiden Sprachen: Auf keiner der Seiten darf die ganze Wahrheit gesagt, auf dem einen nicht die andere, auf dem anderen nicht die eine, erste Sprache gesprochen werden. Baar hat Worte gefunden für die wechselseitig eingeimpfte Scham, das fortwährende Gefühl der Nichtzugehörigkeit, Heimatlosigkeit, hier wie da; sie bricht die Tabus und erzählt von ihrer Traurigkeit, Trauer, ihrer Anpassungsmimikry, den Wunden und Narben, die das Verbot, zwei (und mehr) Heimaten zu haben, hinterlässt, erzählt von ihren eigenen Versäumnissen, Fluchten und ihrer großen Sehnsucht nach einer wirklich humanen Welt, in der sich niemand zu schämen braucht für das, was er ist und woher sie kommt. Erst in dieser Welt, davon ist sie überzeugt, wird es wirklich Frieden geben. Ihr Buch öffnet uns allen den Weg dorthin, indem wir, während wir lesen, uns selbst prüfen, befragen, öffnen, verändern. Im Sommer hat Anna Baar den Großen Österreichischen Staatspreis erhalten. 


Anna Baar: »Divân mit Schonbezug«. Erzählungen. Wallstein 2022, 153 Seiten, 20 Euro

FAS Nr. 42, 23. Oktober 2022, Feuilleton Seite 40
 

Verwandte Einträge

Annie Ernaux »Die Jahre«

fixpoetry, 27. Januar 2018

 

Imre Kertész »Kaddisch für ein nicht geborenes Kind« (Audio)

Die Berliner Literaturkritik, 18. Dezember 2006

Sylvia Plath’ Erzählungen

NZZ Nr. 33, 9. Februar 2013, Feuilleton  Seite 61

schließen

Diese Website verwendet Cookies, um bestmöglichen Service zu bieten.
Nähere Informationen finden Sie auf der Seite Datenschutz und Impressum.

debug: global diff: 0,000s, last diff: 0,000s, mem: 16.532.736 B  - READY... Anna Baar »Divân mit Schonbezug«
debug: global diff: 0,000s, last diff: 0,000s, mem: 16.535.256 B  - READY HOOKS...
debug: global diff: 0,000s, last diff: 0,000s, mem: 16.537.032 B  - /READY
debug: global diff: 0,032s, last diff: 0,032s, mem: 17.969.336 B  - page_article
debug: global diff: 0,033s, last diff: 0,000s, mem: 17.969.576 B  - Menu...
debug: global diff: 0,087s, last diff: 0,054s, mem: 18.458.288 B  - /Menu
debug: global diff: 0,087s, last diff: 0,000s, mem: 18.460.336 B  - page_standard components
debug: global diff: 0,090s, last diff: 0,004s, mem: 18.474.064 B  - page_standard components end
debug: global diff: 0,090s, last diff: 0,000s, mem: 18.474.408 B  - html...
debug: global diff: 0,091s, last diff: 0,001s, mem: 18.555.616 B  - head...
debug: global diff: 0,114s, last diff: 0,022s, mem: 18.562.240 B  - prepare header elements
debug: global diff: 0,115s, last diff: 0,001s, mem: 18.576.992 B  - /prepare header elements
debug: global diff: 0,115s, last diff: 0,000s, mem: 18.577.272 B  - /head
debug: global diff: 0,125s, last diff: 0,009s, mem: 18.704.800 B  - END.